Es sollte eigentlich selbstverständlich sein, dass man trotz Sensor regelmäßig blutig kontrolliert, insbesondere wenn der Sensorwert nicht plausibel ist. Steht ja auch in der Anleitung. Insofern ist die Werbeaussage von Abbott ziemlich irreführend und realitätsfern (aber welche Werbung ist das nicht?).
Man muss aber auch etwas technisches Verständnis aufbringen, da die Werte häufig nicht übereinstimmen können. Schaut man sich die Tageskurven an, erkennt man ständige Schwankungen, der Glukoseverlauf ist nur selten schön gerade horizontal, also über längere Zeit konstant. Das führt unweigerlich zu Abweichungen, da der Glukosewert im Gewebe um etwa 15 Minuten dem im Blut hinterherhinkt. Wenn ich also beim Essen gerade ziemlich im Keller bin, danach die Werte aber rasant steigen, ist es nicht verwunderlich, dass der Sensor 10 Minuten später noch 50 anzeigt, im Blut aber schon 100 erreicht sind.
Das ist bei allen FGM/CGM-Systemen so und einfach prinzipbedingt. Dürfte beim Dexcom nicht anders sein, da nützt auch eine Kalibrierung nichts. Man muss das wissen und bei der Interpretation der Sensorwerte berücksichtigen. Fallen die Werte gerade, bin ich tatsächlich im Blut schon niedriger, steigen sie, bin ich entsprechend höher. Die Steigung der Kurve gibt einen Hinweis auf die Größe der Abweichung (steil = viel Abweichung, flach = geringe Abweichung).
Ich habe aber auch die Erfahrung gemacht, dass die Sensorwerte unabhängig von dem obigen Mechanismus generell von den Blutwerten abweichen. Mal mehr mal weniger, aber pro Sensor in der Regel einheitlich (bei mir meist 10-15% zu niedrig), damit kann man aber leben bzw. umgehen. In nun rund 1 Jahr Nutzung hatte ich nur einen Sensor, der völlig irrsinnige Werte anzeigte – der wurde von Abbott problemlos ersetzt. Ein bis zwei Tage nach dem Setzen eines neuen Sensors hat man (nach einigen blutigen Kontrollen) diese generelle Abweichung raus, braucht nicht mehr so häufig kontrollieren und kann die Werte dann quasi im Kopf kalibrieren (+/- X Prozent). Was anderes macht die Kalibrierung der CGM-Systeme auch nicht. Allerdings „muss“ man meines Wissens deren Sensoren täglich blutig kalibrieren, während man beim Libre nach einigen Tagen auch darauf verzichten kann.
Unverständlich ist, warum Abbott eine optionale Kalibrierung bzw. Wertekorrektur nicht in das Lesegerät oder Libre Link integriert hat. Vielleicht will das die Marketingabteilung nicht, um ein weiteres Verkaufsargument für den wesentlich teureren Freestyle Navigator zu haben. Es gibt aber die Handy-App „Glimp“, die einem die Kopfkalibrierung bzw. Rechenarbeit abnimmt. Damit kann man den Libre Sensor direkt scannen und ergänzend gelegentliche Blutwerte eingeben. Anhand der Blutwerte werden die angezeigten Sensorwerte korrigiert und die Kurve entsprechend vertikal verschoben. Sehr praktisch.
Mittlerweile habe ich den Eindruck, dass die Genauigkeit des Sensors auch davon abhängig ist, an welcher Stelle man ihn setzt. Ich verwende generell die Rückseite der Oberarme. Bisher habe ich den Sensor möglichst weit oben platziert, damit er noch unter dem T-Shirt-Ärmel liegt. Seitdem ich ihn aber etwas tiefer am Oberarm, etwa 15 cm über dem Ellenbogen setze, sind die Sensorwerte deutlich genauer. Vermutlich hängt es damit zusammen, wie dick das Fettgewebe lokal ist bzw. wie nah die Sensornadel an den Armmuskel kommt. Sollte man mal ausprobieren bzw. beobachten.